Mit Urteil vom 29. November 2022, (Az. XI R 18/21; veröffentlicht am 13.04.2023) hat der BFH entschieden: „Die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gmäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.“
Hintergrund
Das BMF nimmt in Abschnitt 2.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Stromerzeugungsanlagen Stellung. Hier werden in Abschnitt 2.5 Abs. 6 und Abs. 10 UStAE Regelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung des für den Eigenverbrauch erzeugten Stroms nach dem EEG und in Abschnitt 2.5 Abs. 17 i.V.m. Abs. 6 UStAE Regelungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung des für den Eigenverbrauch erzeugten Stroms nach dem KWKG getroffen.
Umsatzsteuerrechtlich wird demnach für die nach dem KWKG geförderten Stromerzeugungsanlagen unterstellt, dass in einem ersten Schritt der gesamte selbst erzeugte und dezentral verbrauchte Strom an den Netzbetreiber geliefert und in einem zweiten Schritt von diesem an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert wird. Für nach dem EEG geförderte Anlagen gilt diese Fiktion lediglich noch für Anlagen, die vor dem 1. April 2012 in Betrieb genommen wurden.
Sofern die Stromerzeugungsanlage dem unternehmerischen Bereich des Anlagenbetreibers zugeordnet wurde, bewirkt diese Fiktion der Hin- und Rücklieferung des für den Eigenverbrauch erzeugten Stroms, dass der Anlagenbetreiber für die eingespeiste Strommenge (inkl. der fingierten Liefermengen) und der Netzbetreiber für die fingierte Rücklieferung eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellen muss.
Bemessungsgrundlage für die Lieferungen ist das gezahlte Entgelt abzüglich der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Dies bewirkt, dass auch der für die eigenverbrauchte Menge gezahlte Zuschlag nach dem KWKG der Umsatzsteuer unterliegt.
Entscheidung des BFH
Eine steuerbare Lieferung erfordert, dass der Unternehmer die Verfügungsmacht an einem Gegenstand gegen Entgelt verschafft. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bezieht sich der Begriff "Lieferung von Gegenständen" nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt dabei weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert und/oder physisch von ihr empfangen wird. Im Übrigen beinhaltet die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, dass die Partei, auf die diese Befähigung übertragen wird, die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken, etwa die Entscheidung, den Gegenstand zu verkaufen. Der BFH umschreibt den Begriff der Lieferung in ständiger Rechtsprechung dabei als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne dass sich hieraus eine Abweichung von der EuGH-Rechtsprechung ergibt.
Eine Lieferung liegt bei einem Eigenverbrauch des Stroms durch den Anlagenbetreiber dementsprechend nicht vor, da der Netzbetreiber über die vom Anlagenbetreiber selbst verbrauchten Strommengen nicht verfügen kann.
Auch eine fiktive Lieferung auf rechtlicher Grundlage bzw. aus anderen Gesetzen wie dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 2009 sowie das Vorliegen einer sonstigen Leistung schloss der BFH in seiner Urteilsbegründung aus.
In der Folge liegt für den selbstverbrauchten Strom keine Lieferung und auch keine Rücklieferung vor. Die Zahlung eines KWK-Zuschlags für diese Strommenge erfolgt damit außerhalb eines Leistungsaustausches und ist nicht umsatzsteuerbar.
Eine Reaktion der Finanzverwaltung auf das Urteil des BFH steht noch aus.